Diese Situation kennt vermutlich jeder von uns: Irgendwann in einem Vortrag oder Kurs haben wir den Faden verloren und keine Ahnung mehr, was wir gerade gelesen haben oder was gesagt wurde. Und das, obwohl uns der Inhalt eigentlich sehr interessiert. Liegt es daran, dass man abgelenkt ist? Oder haben solche Probleme möglicherweise andere Ursachen?
E-Learning-Kurse sind – wie andere Sachtexte und Informationsmaterialien auch – fast immer in einem formellen Stil verfasst. Warum das so ist? Weil wir das in der Schule so gelernt haben!
Richard Mayer stellt in seinem Buch E-Learning and the Science of Instruction fest, dass Menschen sich besser auf den Inhalt konzentrieren können, wenn Sie in einem Gespräch mit einem anderen Menschen sind. Anscheinend ist unser Gehirn so gepolt, dass wir aufmerksamer sind, wenn eine soziale Komponente ins Spiel kommt. Für E-Learning-Kurse bedeutet das, dass ein persönlicherer und „mündlicherer“ Stil, ggf. kombiniert mit virtuellen Trainern, die Aufmerksamkeit der Lernenden viel besser bindet und so den Lernerfolg gezielt unterstützt.
Mayer schlägt einige einfache und schnelle Möglichkeiten vor, um E-Learning-Kurse zu personalisieren.
Nutzen Sie die 1. und 2. Person („Wir“ und „Sie‟)
Sie können aus einem formellen Text einen informellen machen, indem Sie einfach mit Pronomen wie „Sie‟ und „Wir” arbeiten:
- Formell: Beim Trainieren steigt die Herzfrequenz, damit mehr Sauerstoff in die Muskeln transportiert werden kann.
- Informell: Wenn Sie trainieren, steigt Ihre Herzfrequenz, damit mehr Sauerstoff in Ihre Muskeln transportiert werden kann.
Merken Sie, wie sich diese kleine Änderung auswirkt? Das erste Beispiel klingt trocken und sachlich. Mit dem zweiten können Sie sich hingegen identifizieren.
Stellen Sie Fragen, und richten Sie direkte Kommentare an die Lernenden
Sprechen Sie die Lernenden auf einer persönlichen Ebene an, und gestalten Sie den Kurs dialogartig. Statt beispielsweise direkt eine Erklärung zu einem Thema zu bringen, formulieren Sie Sätze wie „Wussten Sie, dass …?‟ oder „Sehen wir uns an, wie …‟.
Formulieren Sie höflich statt direkt
Studien zeigen, dass der Lernerfolg größer ist, wenn Sie sich höflich ausdrücken, statt mit direkten Formulierungen zu arbeiten. Dies gilt vor allem für Lernende mit keinen oder wenigen Kenntnissen zum Thema. Denken Sie also bei Ihrem nächsten E-Learning-Kurs an diese Regel, wenn Sie die Antwortauswertungen formulieren. Schreiben Sie nicht „Das ist falsch. Versuchen Sie es noch mal.‟, sondern lieber „Das ist leider falsch. Möchten Sie es noch einmal versuchen?‟.
Arbeiten Sie mit menschlichen Stimmen
Möglicherweise sind Sie versucht, eine Text-to-Speech-Anwendung zu nutzen und Ihren Kurs so mit Sprache zu unterlegen. Natürlich ist das eine einfache und schnelle Möglichkeit, um Audioinhalte zu erstellen. Bedenken Sie jedoch, wie sich diese Inhalte auf die Effektivität Ihres Kurses auswirken. Mayer zeigte in Untersuchungen, dass Menschen besser lernen, wenn sie eine menschliche Stimme statt einer computergenerierten Stimme hören.
Arbeiten Sie mit einem sichtbaren Sprecher
Mayer schlägt vor, einen sichtbaren Sprecher in E-Learning-Kurse einzufügen. Mit ihm können Sie eine Gesprächsinteraktion simulieren. Das wirkt deutlich motivierender. Wenn ein Sprecher zu sehen ist, bauen die Lernenden eine Beziehung zum vermittelten Thema auf. Sie haben eher den Eindruck, sich mit einem anderen Menschen zu unterhalten. Manche Lernende nehmen den Sprecher sogar als eine Art Kursleiter wahr. So fühlen Sie sich weniger alleingelassen, und der Lernprozess wird angenehmer.
Die Personalisierung ist eine sehr effektive Technik, um die Lernenden stärker zu motivieren. Sie sollten es jedoch nicht übertreiben. Mayer formuliert es so: „Ein gutes Instruktionsdesign umfasst gerade so viele soziale Elemente, dass es dem Lernenden das Gefühl einer menschlichen Präsenz vermittelt, ohne ihn abzulenken.‟
Weitere Lektüre
Zum Thema Personalisierung
- 3 Ideen für eine persönlichere E-Learning-Erfahrung
- 3 Möglichkeiten E-Learning-Kurse persönlicher zu gestalten
Zu Theorien von Richard Mayer
- Redundanzprinzip: Sollte man Sprechertext auch als Bildschirmtext anzeigen?
- Das Multimodalitätsprinzip – mehr Lernerfolg durch Text + Bild
- Kohärenz zwischen Text und Grafiken im E-Learning – weniger ist manchmal mehr
- Das Kontiguitätsprinzip: Zusammengehörigkeit von Text und Bild
Literatur:
1. Clark, R. C. und R. E. Mayer, „E-Learning and the Science of Instruction‟, zweite Ausgabe (San Francisco: Pfeiffer, 2007).
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