Lernerfahrungen gibt es so viele – von durchstrukturiertem Präsenzunterricht über flexible E-Learning-Kurse, Video-Tutorials, Podcasts und E-Books bis hin zu Newslettern und Vielem mehr. Die große Auswahl macht es einem oft nicht leicht, besonders wenn mehrere Formate sinnvoll umgesetzt werden könnten.
Was hier hilft, sind gezielte Fragen zu Aspekten wie dem Stoff, dem Kontext, dem Schulungsziel oder der Zielgruppe, um die Wahl weiter einzuengen. Welche Fragen sollten Sie sich hierbei stellen? Hier sind sieben, die sich in unserer Erfahrung bewährt haben.
1. Müssen die Teilnehmer den Inhalt nach dem Kurs wirklich präsent haben?
Hatten Sie schon mal einen Auftrag, bei dem Sie Fähigkeiten oder Informationen vermitteln sollten, die die Teilnehmer nie oder nur extrem selten brauchen? Solche selten angewandten Informationen müssen aber manchmal trotzdem jederzeit präsent sein. Nehmen Sie Wiederbelebungstechniken bei Bademeistern. Das sind Fähigkeiten, die die Teilnehmer hoffentlich nie brauchen werden. Aber wenn es hart auf hart kommt, muss ein Bademeister wissen, was zu tun ist. Um sich ein Tutorial-Video anzusehen, ist im Ernstfall keine Zeit.
Aber oft müssen Teilnehmer selten angewendetes Wissen nicht ständig parat haben – sie müssen es nur schon einmal gehört haben oder überhaupt nur einmal eine bestimmte Handlung durchführen. Wenn das der Fall ist, ist eine Arbeitshilfe oder ein Erklärvideo meist sinnvoller als ein ganzer E-Learning-Kurs. Ein gutes Beispiel sind Informationen für neue Mitarbeiter eines Unternehmens. Am Anfang brauchen sie viele Informationen, um sich mit der neuen Arbeitsumgebung und den Prozessen vertraut zu machen, aber danach müssen sie nicht mehr präsent haben, wie sie z. B. ihr geschäftliches E-Mail-Konto einrichten. Ein E-Learning-Kurs wäre hier Zeitverschwendung.
Ein sinnvoller Ansatz ist auch, den Leuten beizubringen, wo sie die benötigten Informationen im Bedarfsfall finden. Wie könnte das aussehen? Halten Sie es schlicht, z. B. mit einem Video-Tutorial zur Struktur des Unternehmens-Wikis. Das Wiki fungiert als kollektives Gedächtnis. Es braucht sich also nicht jeder Mitarbeiter die Informationen einzeln zu merken.
2. Was müssen die Teilnehmer unbedingt wissen?
Der Umfang des zu vermittelnden Stoffs macht einen Riesenunterschied. Ein Theoriekurs für Fahrschüler umfasst eine Menge an Regeln und Vorschriften. Da bietet es sich an, den Stoff in Lektionen zu unterteilen und sie zeitlich zu trennen, um die Lernenden nicht zu überfordern. Wenn Sie aber nur die Bedeutung von Straßenschildern vermitteln sollen, ist ein einfaches Handout oder ein kurzes Video völlig ausreichend.
Um das richtige Format für die Wissensvermittlung zu wählen, müssen Sie sich darüber im Klaren sein, was die Lernenden aus der Lernerfahrung mitnehmen sollen. Manchmal hat man das Pech, dass der Umfang des Stoffs vom Auftraggeber nicht konkret genug umrissen wurde. Das liegt nicht selten daran, dass die Kunden wenig Erfahrung darin haben, zentrale Inhalte von Nebensächlichem zu trennen. An dieser Stelle sind Ihre Expertise und Ihr Fingerspitzengefühl gefragt. Grenzen Sie den Stoff durch höfliche, gezielte Nachfragen auf den Kern ein, um den es eigentlich geht. So sparen Sie sich unnötige Arbeit und können das Format auch besser an den gewünschten Ergebnissen ausrichten.
3. Wie wichtig sind die Informationen?
Nicht alle Projekte haben dieselbe Priorität. Und da es immer Grenzen gibt, sei es bei der Zeit, beim Budget oder bei der schlichten Aufnahmekapazität, ist es sinnvoll, die Gedanken zum Format der Stoffvermittlung auch an der Wichtigkeit der Inhalte zu orientieren. Aufwendige, komplexe Lösungen können angebracht sein, wenn die Inhalte von zentraler Bedeutung sind. Wenn die Priorität aber niedriger ist, sollte auch die Lösung entsprechend schlicht ausfallen.
Wie bemessen Sie jetzt aber die Wichtigkeit der Inhalte? Fragen Sie sich zuerst, was passieren würde, wenn die Zielgruppe die Informationen oder Fähigkeiten nicht hätte. Wären die Konsequenzen gravierend? Bei Themen wie Medizin, Maschinenbedienung oder Straßenverkehr können Fehler tödliche Folgen haben. Hier haben die Informationen also höchste Priorität. Wenn es allerdings um Tipps zu Tastenkombinationen in Word geht … die sind natürlich praktisch, aber wenn jemand sie nicht kennt, verschwendet er im schlimmsten Fall ein bisschen Zeit.
Es muss aber nicht immer gleich um Menschenleben gehen. Auch die Frage, wie sehr die Informationen zum Erreichen der Unternehmensziele beitragen können, ist wichtig. Können Verkaufszahlen erhöht oder neue Mitarbeiter schneller eingearbeitet werden? Dann sind die Informationen wichtig.
Und schließlich spielt auch die Größe der Zielgruppe eine Rolle. Je mehr Teilnehmer, desto eher lassen sich aufwendige Lösungen rechtfertigen. Ist die Zielgruppe eher klein, sollte auch Ihre Lösung handliches Format haben.
4. Welche Rahmenbedingungen sind zu beachten?
Jedes Projekt hat Rahmenbedingungen – vom Budget über die Frist bis hin zu den verfügbaren Ressourcen. Und auch auf der Teilnehmerseite gibt es Rahmenbedingungen. Vielleicht ist die Zielgruppe mehrsprachig, oder Teile der Zielgruppe arbeiten in sehr lauten Umgebungen. Ein klare Vorstellung von den Rahmenbedingungen lässt Sie schneller Formate ausschließen, die vielleicht schön wären, aber in Ihrem Kontext nicht funktionieren würden.
Diese Rahmenbedingungen durchzusprechen – und zu dokumentieren – hat noch einen weiteren Vorteil: Ihre Auftraggeber bekommen ein klares Bild davon, was sie vom Ergebnis Ihrer Arbeit erwarten können. Nehmen wir z. B. an, dass sich der Kunde einen interaktiven, gamifizierten Kurs zum Thema Gesundheitsangebote für Arbeitnehmer vorstellt, aber dann im Gespräch durchblicken lässt, dass Sie mit einer knappen Frist und einem engen Budgetrahmen rechnen müssen. Wenn Sie Ihrem Gegenüber erklären, wie sich diese Rahmenbedingungen auf Ihre Arbeit und das zu erwartende Ergebnis auswirken, wird er oder sie mehr Verständnis dafür aufbringen, wenn Sie ein immer noch effektives Format vorschlagen, das sich aber mit viel weniger Aufwand umsetzen lässt, z. B. in einer Reihe von Erklärvideos.
5. Wer ist die Zielgruppe?
Wenn Sie sich bemühen, Ihre Zielgruppe kennen zu lernen, werden Sie auch herausfinden, welche Lernansätze für diese Gruppe besser funktionieren und welche nicht so gut. Wichtig ist auch, zu ermitteln, auf welches Vorwissen Sie in der Aufbereitung Ihres Kurses setzen (oder nicht setzen) können.
Nehmen wir an, es geht um ein neues Computerprogramm, mit dem Urlaubstage beantragt werden. Wenn es ähnlich ist wie das bisherige, kann Ihr Kurs sehr knapp ausfallen, weil die Zielgruppe über direkt übertragbares Vorwissen verfügt. Wenn Urlaubsanträge aber bisher auf Papier eingereicht wurden, ist der Umstieg ein größerer. Entsprechend wird sicher auch Ihr Kurs umfangreicher ausfallen.
Oder Sie bereiten eine neue Produktschulung für das Vertriebsteam vor und glauben, dass ein E-Learning-Kurs genauso gut funktionieren würde wie ein Live-Webinar. Zumindest bis Sie mit ein paar zukünftigen Teilnehmern sprechen. Denn alle sagen Ihnen, dass es für sie schwierig sein wird, Zeit am Stück für ein Webinar freizuschaufeln, geschweige denn einen Termin zu finden, der allen in den Terminkalender passt. In dieser Situation ist ein E-Learning-Kurs klar die bessere Wahl, denn so kann jeder Teilnehmer sich die Zeit selbst einteilen und den Kurs im eigenen Tempo absolvieren.
6. Welches Format eignet sich für die Inhalte und die Lernsituation?
Haben Sie schon mal jemandem ausschließlich in Schriftform erklärt, wie man einen Autoreifen wechselt? Theoretisch geht das bestimmt, aber es ist mit Sicherheit umständlicher als mit einem Video oder einer kurzen Demonstration. Jedes Format hat seine Stärken und Schwächen – in Videos ist es zum Beispiel ganz leicht, Bewegungen und Handgriffe darzustellen.
Auch der Zeitpunkt bzw. die Situation, kann eine gute Leitlinie für das gewählte Format sein. Nehmen wir wieder das Beispiel des platten Reifens. Ein streambares Video scheint sich hier ganz klar anzubieten, aber wenn jemand irgendwo in der Pampa mit einem Platten steht, hat er vielleicht nicht mehr genug Akkuleistung oder schlechten Empfang. Da wäre eine schriftliche, bebilderte Anleitung, die man ausdrucken und ins Handschuhfach legen kann, sinnvoller.
7. Könnte die Lösung darin bestehen, mehrere Formate zu nutzen?
Muss man sich immer für nur ein Format entscheiden? Nein. Denn oft gibt es nicht nur eine Art von Situation, in der die Informationen gebraucht werden. In unserem Beispiel des Reifenwechsels könnte ein gemischter Ansatz gut funktionieren: ein Video, das man sich in Ruhe zu Hause angucken kann, um sich theoretisch mit dem Vorgang vertraut zu machen, kombiniert mit einem Merkblatt fürs Handschuhfach, auf dem alles noch mal zusammengefasst ist.
Hier spricht man auch von Blended Learning, also gemischten Lernformaten, die sich gegenseitig ergänzen und verstärken. Eine Schulung zum Umgang mit Kundenbeschwerden könnte z. B. mit einem E-Learning-Kurs starten, in dem die Grundlagen vermittelt werden, und mit einer praktischen Übung mit verteilten Rollen enden. Die Kombination dieser beiden Methoden vereint das Beste aus zwei Welten: die bequeme Flexibilität eines E-Learning-Kurses für alle Inhalte, die man sich selbst aneignen kann, und die Sicherheit, in der Praxis Rückmeldung von einem Experten zu bekommen.
Verschiedene Formate können auch in ein und derselben Lernerfahrung vereint werden. Das haben Sie bestimmt schon mal gesehen. Zum Beispiel in einem E-Learning-Kurs, der Text, Diagramme und Voiceover-Passagen verwendet oder einem Webinar, in dem ein Video gezeigt wird. In diesen Fällen gibt es ein Hauptformat, in das andere Formate eingebettet werden.
Wenn Sie sich also partout nicht für ein Format entscheiden können, entscheiden Sie sich einfach für eine ausgewogene Mischung.
Fazit
Natürlich sind diese 7 Fragen nicht die einzigen, die Ihnen bei der Auswahl des passenden Formats helfen können, aber mit diesen und anderen Überlegungen können Sie die lange Liste an möglichen Schulungsformaten Stück für Stück kürzen, bis Sie das passende Format für Ihr Projekt und Ihre Zielgruppe gefunden haben.
Sie fragen sich, woher Sie die Antworten auf diese Fragen bekommen? Dazu haben wir einige Artikel auf unserem Blog:
- 6 TOP fürs Kickoff-Meeting von E-Learning-Projekten
- Bedarfsanalyse – Wann ist E-Learning die richtige Lösung?
- Die 3 wichtigsten Arten der E-Learning-Analyse
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