Alle mal melden, die schon einmal einen Auftrag für einen Kurs erhalten haben, der für eine große Zielgruppe mit sehr uneinheitlichen Bedürfnissen und Vorkenntnissen gedacht war? 🙋
Das passiert leider häufiger, als man meinen würde. Die Beweggründe dahinter sind einleuchtend. Einen umfassenden Kurs für alle zu erstellen wirkt einfacher (und weniger kostenintensiv), als mehrere Versionen für verschiedene Zielgruppen zu erstellen. Und es ist wahrscheinlich auch einfacher, aber ob dabei auch ein effektiver Kurs herauskommt? Eher nicht.
In diesem Artikel möchten wir näher darauf eingehen, warum es sich lohnt, E-Learning-Kurse eng an der Zielgruppe auszurichten, und wie man dabei am besten vorgeht.
Warum es keine gute Idee ist, ein und denselben Kurs für unterschiedliche Zielgruppen zu entwerfen
Haben Sie schon mal einen Kleidungsartikel in „Einheitsgröße“ gekauft? Angeblich passen solche Artikel jedem, aber in der Realität passen sie meist niemandem so richtig, oder? Das ist bei E-Learning-Kursen genauso. Wenn Sie versuchen, einen Kurs für alle zu erstellen, wird er am Ende niemandem wirklich gerecht. Und wenn Sie Lernenden Inhalte vorsetzen, die nicht relevant für sie sind, schalten sie mit großer Wahrscheinlichkeit ab – d. h. es bleibt weniger vom Stoff hängen, Kurse werden häufiger abgebrochen, und Testergebnisse werden schlechter.
Ein E-Learning-Kurs, der auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten ist, gibt den Teilnehmern genau, was sie brauchen – nicht mehr und nicht weniger. Weil die Teilnehmer eines solchen Kurses merken, dass die Inhalte unmittelbar relevant für sie sind, haben sie deutlich mehr Lust auf den Kurs und haben eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, die Kernaussagen des Kurses zu verinnerlichen und letztlich besser abzuschneiden.
Wie man Inhalte auf bestimmte Zielgruppen zuschneidet
Jetzt wissen wir also, warum es wichtig ist, einen E-Learning-Kurs auf die Zielgruppe zuzuschneiden. Aber wie geht man das in der Praxis konkret an? Im Grunde genommen müssen Sie an drei Stellen Anpassungen vornehmen: an den Inhalten selbst, an der Art der Präsentation und an den Formulierungen, die Sie zur Präsentation der Inhalte wählen. Sehen wir uns nun an, wie wir diese drei Punkte konkret angehen.
Welche Inhalte sollen enthalten sein?
Um zu entscheiden, welche Inhalte Sie in Ihren Kurs aufnehmen, müssen Sie darüber nachdenken, wie sich die Zielgruppe zusammensetzt, welches Vorwissen sie zu dem behandelten Thema mitbringt, welchen Zweck Ihr Kurs erfüllen soll und welchen Nutzen die Teilnehmer von der Absolvierung des Kurses haben. Wenn eine Zielgruppenanalyse nicht eh schon fester Bestandteil Ihrer Projektplanung ist, empfehlen wir Ihnen zum Einstieg unseren Blog-Artikel zur E-Learning-Zielgruppenanalyse.
Um das gesamte Vorgehen am praktischen Beispiel zu illustrieren, haben wir zwei Kurse zum selben Thema für verschiedene Zielgruppen erstellt. Sehen wir uns zunächst die zwei Zielgruppen genauer an:
Zielgruppe | Menschen ohne Nahrungsmittelallergie | Menschen, bei denen kürzlich eine Nahrungsmittelallergie diagnostiziert wurde |
Vorwissen | Wenig bis gar keins | Wenig bis gar keins |
Zweck des Kurses (weshalb Sie den Kurs erstellen) |
Die Gefährlichkeit von Nahrungsmittelallergien bewusst machen, sowie zeigen, woran man allergische Reaktionen erkennt und wie man richtig auf sie reagiert | Neuallergikern helfen, schnellstmöglich das Wichtigste zum Umgang mit der Allergie zu lernen |
Lernziele (was die Teilnehmer nach Absolvierung des Kurses können sollen) |
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Wie Sie sehen, unterscheiden die beiden Zielgruppen sich nicht in ihrem Vorwissen, wohl aber in ihren Bedürfnissen. Ein Kurs für beide Gruppen kann also nicht gut funktionieren.
Um die verschiedenen Bedürfnisse der beiden Zielgruppen zu befriedigen, überlegen wir uns als nächstes, welche Inhalte im jeweiligen Kurs vorkommen sollen. Wir haben uns wie folgt entschieden:
Zielgruppe | Menschen ohne Nahrungsmittelallergie | Menschen, bei denen kürzlich eine Nahrungsmittelallergie diagnostiziert wurde |
Kursinhalt |
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Ihnen ist sicher aufgefallen, dass die ersten drei Punkte in beiden Listen identisch sind. Das leuchtet auch ein, denn beide Zielgruppen haben kaum bis gar kein Vorwissen zu dem Thema; für beide Zielgruppen ist es also wichtig, sich die Grundlagen anzueignen. Ab dem vierten Punkt gehen die Bedürfnisse der beiden Gruppen jedoch auseinander. Das liegt daran, dass die Bedürfnisse anders gelagert sind.
Wie sollen die Inhalte präsentiert werden?
In Fällen, in denen dieselben Inhalte für mehrere Zielgruppen präsentiert werden sollen, stellt sich immer noch die Frage, ob die Inhalte auf dieselbe Weise präsentiert werden sollten.
Nehmen Sie unsere Beispielkurse zu Nahrungsmittelallergien. Beide Zielgruppen sollen lernen, wie sie auf eine allergische Reaktion sinnvoll reagieren, aber die Allergiker müssen diese Schritte mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit tatsächlich ausführen.
Deshalb haben wir diesen Teil für die Allergiker etwas anders präsentiert als für die erste Zielgruppe. Für die Menschen, die sich allgemein über das Thema informieren möchten, haben wir einen Akkordeonblock mit schlichten Aufzählungen eingebaut. Für die Allergiker hingegen haben wir einen Prozessblock gewählt, um jedem einzelnen Schritt in der Abfolge mehr Gewicht zu verleihen.
Zielgruppe | Menschen ohne Nahrungsmittelallergie | Menschen, bei denen kürzlich eine Nahrungsmittelallergie diagnostiziert wurde |
Lektion zur Reaktion auf eine allergische Reaktion |
Ein Akkordeonblock mit einer Aufzählung der nötigen Schritte |
Ein Prozessblock mit Foto und kurzem Text für jeden einzelnen Schritt |
Zur interaktiven Version | Zur interaktiven Version |
Sehen Sie, was für einen Unterschied es macht, wie Sie den Inhalt aufbereiten?
Wie soll die Botschaft formuliert werden?
Erfahrene Instruktionsdesigner wissen, dass es nicht damit getan ist, den Kursteilnehmern die relevanten Inhalte vorzusetzen. Wichtig ist auch, herauszustellen, warum diese Inhalte für sie relevant sind. Solche Begründungen wirken motivierend und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Inhalte tatsächlich verinnerlicht werden.
Das bedeutet, dass Sie die Botschaft so formulieren müssen, dass sie bei der Zielgruppe ankommt. Die Kursteilnehmer müssen sich in ihrer Lebenssituation angesprochen fühlen. Versuchen Sie also, sich in die Lernenden hineinzuversetzen und sich Fragen wie die folgenden zu stellen:
- Wieso sollte die Lernenden das interessieren?
- Wie können sie die Informationen im Alltag umsetzen?
Lassen Sie sich in Ihren Formulierungen dann von den Antworten auf diese Fragen leiten. In unseren Beispielkursen sieht man diesen Unterschied schön in der Kursbeschreibung.
Wenn wir nur einen Kurs für beide Zielgruppen zusammen erstellt hätten, hätten wir eine sehr allgemein gehaltene Einleitung wählen müssen oder eine sehr komplizierte, die versucht, alle Eventualitäten abzudecken. Da wir uns aber für separate gezielt gestaltete Kurse entschieden haben, konnten wir die Einleitungen so formulieren, dass sich die Teilnehmer abgeholt fühlen. Das erhöht (hoffentlich) die Motivation, den Kurs zu absolvieren. Hier sehen Sie beide Kursbeschreibungen im Vergleich:
Zielgruppe | Menschen ohne Nahrungsmittelallergie | Menschen, bei denen kürzlich eine Nahrungsmittelallergie diagnostiziert wurde |
Kursbeschreibung | Essen hat einen hohen Stellenwert in unserem Alltag. Oft geht es beim Essen allerdings nicht in erster Linie um die Nahrungsaufnahme – sondern darum, Zeit mit Freunden oder mit der Familie zu verbringen. Überlegen Sie mal: Wann haben Sie das letzte Mal im Kreise Ihrer Lieben zusammengesessen, ohne dass es etwas zu Essen gegeben hätte.
Für Menschen mit Nahrungsmittelallergien können diese und ähnliche Situationen stressig werden. Kein Wunder! Wer würde sich nicht gestresst fühlen, wenn jedes Mal das eigene Leben auf dem Spiel stehen kann, wenn man etwas in den Mund schiebt? Wenn Sie diesen Kurs absolviert haben, werden Sie in der Lage sein: . . . |
Wenn bei Ihnen oder bei einem Ihrer Angehörigen kürzlich eine Nahrungsmittelallergie diagnostiziert wurde, fühlen Sie sich vielleicht gestresst oder überfordert. Was bedeutet diese Diagnose jetzt? Welche Auswirkungen wird die Allergie auf Ihren Alltag haben? Auf diese und andere Fragen möchten wir in diesem Kurs Antworten geben.
Wenn Sie diesen Kurs absolviert haben, werden Sie in der Lage sein: . . . |
Sehen Sie? Schon die Formulierung der Einleitung weckt ganz andere Erwartungen an den jeweiligen Kurs. Wenn Sie die beiden Kurse parallel öffnen und die ersten paar Lektionen miteinander vergleichen, werden Sie auf noch mehr Beispiele dieser zielgruppenspezifischen Formulierung stoßen:
Zielgruppe | Menschen ohne Nahrungsmittelallergie | Menschen, bei denen kürzlich eine Nahrungsmittelallergie diagnostiziert wurde |
Kurs | Zur interaktiven Version | Zur interaktiven Version |
Wenn es Ihnen schwerfällt, Ihre Texte an die Bedürfnisse der Zielleserschaft anzupassen, lesen Sie sich doch einmal diesen Artikel durch: Empathie: Weshalb sie so wichtig ist und wie man sie weiterentwickeln kann. Vielleicht hilft er.
Fazit
Wenn Sie erreichen wollen, dass Ihr E-Learning-Kurs bei seiner Zielgruppe tatsächlich Wirkung zeigt, müssen Sie ihn auf die Bedürfnisse dieser Gruppe zuschneiden. Wenn die Gruppe der Teilnehmer allerdings zu heterogen ist, sind Sie besser beraten, mehrere Versionen für einzelne Untergruppen zu erstellen. Denn was hat es für einen Sinn, mit großem Aufwand einen Kurs zu erstellen, wenn er dann bei den Teilnehmern nicht richtig ankommt? Der Lernerfolg wird weitgehend ausbleiben. Und davon hat keiner was.
Weitere Lektüre
Sie hätten gern noch mehr praxisnahe Tipps zur zielgruppenspezifischen Kurserstellung? Dann empfehlen wir Ihnen die folgenden Blogartikel:
- Lernziele im E-Learning – ohne sie geht es nicht
- Aus Präsenzschulungen E-Learning-Kurse machen: mit Rise 360
- So formulieren Sie plausible Ablenker für Ihr E-Learning-Quiz
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