Empathie. Ohne sie können Sie die Lernenden nicht verstehen – können nicht verstehen, was sie antreibt, was sie sehen und hören und was sie erleben. Ebenso wenig können Sie ohne Empathie sinnvoll mit Stakeholdern, Fachleuten und Kollegen zusammenarbeiten. Ohne gegenseitiges Verständnis und wohlwollende Kooperation können Sie keine effektiven E-Learning-Kurse schaffen.
Empathie ist ein Bestandteil sozialer Kompetenz. Es ist die Fähigkeit, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen – Anteilnahme und Mitgefühl zu zeigen. Empathie bedarf einer gewissen emotionalen Intelligenz, also der Fähigkeit, zu spüren, wie es um die geistige und seelische Verfassung des Gegenübers bestellt ist. Bei E-Learning-Designern wurde Empathie scherzhaft schon als Superkraft bezeichnet – da sie Fluch und Segen zugleich ist: Empathisch zu sein und zu handeln ermöglicht es einem, emotionale Beziehungen zu Anderen aufbauen, kann aber auch an der eigenen emotionalen Verfassung zehren.
Bei Qualifikationen für E-Learning-Designer wird die Empathie oft übersehen. Wenn ein Unternehmen einen Instruktionsdesigner sucht, wird meist auf fachliche Voraussetzungen, Berufserfahrung und Ausbildung geschaut. Wenn sogenannte Soft Skills Beachtung finden, geht es über grundlegende Problemlösungsfähigkeit selten hinaus – und auch dabei wird meist mehr auf das Ergebnis als auf den Prozess geschaut.
Warum Empathie im Instruktionsdesign so wichtig ist, hat unsere Kollegin Trina Rimmer in ihrem Artikel (auf Englisch) schon besprochen. In diesem Artikel wollen wir den Schwerpunkt etwas verschieben und uns überlegen, wie die eigene Empathiefähigkeit ermittelt und gegebenenfalls gefördert werden kann.
Anzeichen dafür, dass Ihre Empathiefähigkeit ausbaufähig ist
Empathiemangel klingt erst mal schrecklich. Weiß denn nicht jeder außer dem eingefleischtesten Narzissten ganz intuitiv, wie man mit Anderen umgeht? Ist das für aufrichtige, rücksichtsvolle Menschen nicht das Normalste der Welt?
Ok, bevor wir hier Menschen in Schubladen stecken oder als gefühlskalte Monster abstempeln, sollten wir den Hauptfaktor klar benennen, der es uns oft schwer macht Empathie aufzubringen: Es ist sehr kräftezehrend. Und Kraftreserven schwanken nun mal von Mensch zu Mensch, aber auch von Lebenssituation zu Lebenssituation und von Tag zu Tag. Nicht jeder, der gerade keine Empathie aufbringen kann, ist gleich pathologisch auffällig oder moralisch fragwürdig.
Was sind nun die Anzeichen dafür, dass die eigene Empathie gerade nicht auf ihrem Höchststand ist? Und wie finden Sie heraus, ob dieser Mangel Ihre Arbeit als E-Learning-Designer beeinträchtigt? Wir haben hierzu sechs Faktoren zusammengetragen, die eine Rolle spielen können:
- Es fällt Ihnen nicht leicht, sich in die Situation eines Anderen hineinzuversetzen. Empathische Menschen können sich meist ohne Weiteres in Andere hineinversetzen. Solche Menschen haben das Zeug zum erfolgreichen E-Learning-Designer. Wenn Ihnen das schwerfällt, ist das ein Anzeichen dafür, dass Ihre Empathiefähigkeit eher am unteren Ende des Spektrums befindet.
- Sie stoßen immer wieder auf dieselben Kommunikationsprobleme. Kommt Ihnen der folgende Gedanke vertraut vor? „Ich bin eigentlich gut in meinem Job, aber niemand hier hört auf mich.“ Wenn Sie in der Kommunikation mit anderen Menschen – egal ob privat oder beruflich – immer wieder vor denselben Problemen stehen, ist das oft ein Zeichen dafür, dass das Problem eher bei Ihnen liegt. Kommunikationsprobleme entstehen oft durch eine mangelnde Fähigkeit, die Gefühlslage des Gegenüber richtig einzuschätzen oder die Dinge aus ihrem Blickwinkel zu sehen.
- Sie finden oft, dass Andere übertrieben sensibel sind. Wenn Sie schon mal von Kollegen für unangebrachten Humor kritisiert oder vielleicht sogar wegen unangemessener Bemerkungen gerügt wurden, haben Sie es vielleicht damit abgetan, dass alle um Sie herum einfach überreagiert haben. Viel wahrscheinlicher ist in diesem Fall jedoch leider, dass Sie die sozialen Normen an Ihrem Arbeitsplatz falsch einschätzen – ein weiterer Indikator für einen Mangel an Empathie.
- Es ärgert Sie, wenn Andere von Ihnen erwarten zu wissen, wie sie sich gerade fühlen. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein Fachmann schickt Ihnen ein paar Folien für eines Ihrer Projekte. Sie reagieren mit einer E-Mail, in der Sie schreiben, dass Sie jetzt länger als geplant für das Projekt brauchen, weil Sie alles, was er Ihnen geschickt hat, umschreiben müssen. Auf seine Frage, warum, antworten Sie, dass seine Folien voller Rechtschreib- und Grammatikfehler sind. Irgendwann später erfahren Sie von ihm, dass er sich durch Ihre Reaktion herabgesetzt und dumm gefühlt hat. Sie hingegen ärgern sich, weil Sie jetzt zusätzliche Zeit investieren müssen, um Ihr Verhältnis zu ihm wieder gerade zu biegen. Wenn Sie die Emotionen Ihrer Kollegen und Partner nicht berücksichtigen, wirken Sie auf Andere kühl oder sogar barsch, was es ihnen erschwert, ein Vertrauensverhältnis zu Ihnen aufzubauen.
- Am Arbeitsplatz beschreibt man Sie als jemanden, der „kein Blatt vor den Mund nimmt“. Wenn Sie sich als „offen“, „ehrlich“ oder „direkt“ beschreiben, erleben Andere Sie unter Umständen als jemanden mit mangelnder Teamfähigkeit. Menschen mit geringer Empathie werden oft als dominant, undiplomatisch und wenig selbstkritisch wahrgenommen, denn sie registrieren nicht, wie Ihre Worte und Taten bei Anderen ankommen.
- Ihre Eltern waren nicht sehr einfühlsam. Wir wollen hier nicht in die Tiefenpsychologie abdriften, aber erlauben Sie uns ein paar Kommentare in diese Richtung, denn einige Ergebnisse aus der Forschung zu Spiegelneuronen (spezialisierte Gehirnzellen) legen nahe, dass wir in der frühkindlichen Entwicklung zu einem großen Teil dadurch lernen, dass wir unsere Eltern in ihren Interaktionen mit Anderen beobachten und nachahmen. Empathie wird in diesen Studien zu den Fähigkeiten gerechnet, die wir schon sehr früh lernen, wenn sie uns vorgelebt werden. Wenn Sie in einem Umfeld aufgewachsen sind, in dem es wenig empathisches Verhalten zu beobachten gab, ist diese Fähigkeit bei Ihnen vielleicht weniger stark ausgeprägt. Zum Glück kann sie aber auch im Erwachsenenalter trainiert und bewusst gestärkt werden.
Erkennen Sie sich in einem der obigen Punkte wieder? Falls ja, vergessen Sie nicht, dass es auf Ihrer Seite keine bewusste Entscheidung war, wenig empathisch zu sein. Manchmal hält unser Hirn uns auch davon ab, die Emotionen Anderer zu registrieren – besonders, wenn im eigenen Arbeitsumfeld emotionale Beteiligung nicht geschätzt oder sogar unerwünscht ist (z. B. bei militärischen oder zivilen Einsatzkräften). Oder Ihr Umfeld ist so sehr von Emotionalität geprägt, dass Sie sich überwältigt fühlen (z. B. im Hospiz). Wir werden ständig mit den Erlebnissen und Geschichten Anderer konfrontiert, sei es in der Familie, im Beruf oder in sozialen Netzwerken. Kein Wunder, dass sich bei manchem eine Art emotionaler Burnout einstellt.
Egal, welche Faktoren Ihre Empathiefähigkeit in der Vergangenheit oder Gegenwart beeinflussen, es gibt Strategien, mit denen Sie sie verbessern können. Einige davon möchten wir Ihnen hier vorstellen.
Strategien zur Stärkung der eigenen Empathie
- Holen Sie Meinungen Anderer ein und berücksichtigen Sie sie. Ein selbstkritischer Ansatz ist die Grundlage zur Behebung von Leistungsschwächen jeglicher Art. Üben Sie sich in selbstkritischem Denken, indem Sie von den Menschen um Sie herum Rückmeldung einholen (sei es formell im Vier-Augen-Gespräch mit Ihrem Chef oder informell beim Mittagessen mit Kollegen). In solchen Gesprächen können Sie erkennen, was Andere als die sozialen Normen Ihres Umfelds ansehen, und ggf. Verhaltensweisen aufdecken, die Sie an den Tag legen und die gegen diese sozialen Normen verstoßen oder sich auf andere Weise nachteilig auf Ihre Arbeit auswirken. Zentral hierbei ist es, offen zu bleiben für die Meinungen und Ansichten Anderer. Damit sich diese Art von Gesprächen für Sie lohnt, sollten Sie mehr zuhören als selbst reden. Legen Sie Ihre Vorstellung davon, wie ein solches Gespräch verlaufen sollte, ab. Versuchen Sie nicht, sich zu rechtfertigen, sondern hören Sie einfach zu. Wenn es ums Zusammenarbeiten geht, bestimmt die Wahrnehmung leider allzu oft die Wirklichkeit. Also nehmen Sie die Rückmeldungen Ihrer Kollegen und Vorgesetzten wirklich an und nehmen Sie Ihren Vorsatz ernst, persönlich und fachlich an sich zu arbeiten.
- Machen Sie sich klar, dass Ihre Worte und Taten Konsequenzen haben. Menschen, denen es an Empathie mangelt, tun sich oft schwer, zu kommunizieren. Sie vergessen oft, dass sich ihre Worte und Taten direkt auf das Gefühlsleben der Menschen in ihrem Umfeld auswirken. Selbst solch scheinbar einfache Dinge wie die Formulierung einer Aufgabe innerhalb eines Projektes kann den Unterschied machen zwischen einem Mitarbeiter, der sich dumm vorkommt, und einem, der motiviert ist mitzuarbeiten. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie sich immer wieder mal „unglücklich ausdrücken“, konzentrieren Sie sich stattdessen darauf, was Sie emotional bei Ihrem Gegenüber erreichen möchten. Möchten Sie zum Beispiel jemanden motivieren? Dann überlegen Sie, wie Sie die Aufgabe formulieren können, dass sie attraktiv und motivierend klingt. Möchten Sie jemanden ins Boot holen? Dann suchen Sie nach Formulierungen, die überzeugend klingen.
- Hören Sie zu mit dem Ziel zu verstehen. Menschen mit einem Mangel an Empathie haben eine Tendenz, andere zu unterbrechen oder ein Gespräch an sich zu reißen. Für E-Learning-Designer, deren Job ja zu einem guten Stück darin besteht, Anderen zuzuhören und sich zuarbeiten zu lassen, stellt das ein gravierendes Problem dar. Gehen Sie die nächste Besprechung mit einem Stakeholder oder Fachmann einmal nicht als Plattform an, Ihre Kompetenz zu demonstrieren, sondern als Gelegenheit zuzuhören und von Anderen zu lernen. Anstatt auf die nächste Redepause zu schielen, in der Sie Ihre Meinung darlegen können, halten Sie inne und versuchen Sie sich zu bremsen. Konzentrieren Sie sich auf die Substanz des gerade Gesagten. Schreiben Sie mit und stellen Sie Bestätigungsfragen, um sicherzugehen, dass Sie nichts missverstanden haben, bevor Sie Ihren Gesprächsbeitrag leisten.
- Werfen Sie Ihre Netze weiter aus. Wenn Sie sich umgeben mit den Erfahrungen und Blickwinkeln von Menschen, die einen ganz anderen Hintergrund haben als Sie, tun Sie bereits die ersten Schritte auf dem Weg zu mehr Verständnis und Empathiefähigkeit. Leichter gesagt als getan, meinen Sie? Gehen Sie auf die „Magneten“ in Ihrem Umfeld zu. Wir alle kennen Menschen, die wir als „Magneten“ bezeichnen könnten. Sie haben viele Freunde und sind immer mit dabei, wo etwas los ist. Diese Magneten sind Menschen, die in der Regel sehr offen für neue Bekanntschaften sind. Es mag Ihnen schwierig erscheinen, aber zwingen Sie sich, Ihre selbst auferlegte Isolation zu durchbrechen und sagen Sie sich immer wieder, dass diese „Magneten“ oft auch „Sammler“ sind — sie sind weniger auf tiefer gehende Freundschaften aus, sondern einfach darauf, mit Menschen in Kontakt zu kommen und andere Menschen in Kontakt miteinander zu bringen. Sie kennen keine solchen „Magneten“? Suchen Sie in Netzwerken wie LinkedIn oder Twitter nach aktiven Benutzern. Oder gehen Sie zu offenen Treffen in Ihrer Stadt – seien sie privater Natur (Spieleabend, Verein) oder beruflicher Natur (Berufsverband, Fachmessen). Dort treffen Sie auf Menschen, die kontaktfreudig sind und Ihnen helfen können, Ihren Horizont zu erweitern.
Weitere Lektüre
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie beruflich nicht weiterkommen, dass irgendetwas Sie aufhält, ist es oft eine gute Idee, kurz innezuhalten, sich die eigenen Ziele zu vergegenwärtigen und zu überlegen, was der Erreichung dieser Ziele im Wege steht. Niemand behauptet, es wäre ein Klacks, ehrlich mit sich zu sein und die eigenen Stärken und Schwächen unter die Lupe zu nehmen. Aber verschwendete Zeit ist es nie.
Wenn Ihnen diese Überlegungen zur Empathie als zentraler Fähigkeit für E-Learning-Designer Lust auf mehr gemacht haben, haben wir einige Empfehlungen, wo Sie weiterlesen können:
- 5 Gewohnheiten erfolgreicher Instructional Designer
- Stanford’s Greater Good Empathy Quiz (auf Englisch)
- Harvard Business Review: Emotional Intelligence (auf Englisch)
- Guide to Reading Microexpressions (auf Englisch)
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