Es gibt viele gute Gründe, warum immer mehr Unternehmen von Präsenzschulungen zu E-Learning-Kursen wechseln möchten. Heutzutage arbeiten viele Mitarbeiter aus dem Homeoffice, oder das Unternehmen hat Niederlassungen an verschiedenen Standorten. Vielleicht möchten die Mitarbeiter auch mit entscheiden, wann und wo sie ihren Fortbildungsanspruch geltend machen. Auch nicht außer Acht lassen kann man die Tatsache, dass es in der Regel kosteneffizienter ist, einmal einen E-Learning-Kurs zu erstellen, als immer wieder dieselbe Schulung abzuhalten.
Da man mit E-Learning so viele verschiedene Lernerfahrungen erschaffen kann, lässt sich doch sicher jede Präsenzschulung in einen E-Learning-Kurs konvertieren, oder? Nicht ganz.
E-Learning ist in der Tat ein unglaublich flexibles Format, aber es gibt kein didaktisches Format, das immer und überall passt. Deshalb ist es gut, die Warnsignale zu kennen, die nahelegen, dass eine bestimmte Präsenzschulung nicht vollständig durch einen E-Learning-Kurs ersetzt werden kann.
Warnsignal 1: Die Schulung baut zum großen Teil auf Diskussionen und spontane Anekdoten und Tipps vom Schulungsleiter
Wenn die Schulung von einem erfahrenen Fachmann geleitet wird, kann er auf seinen Erfahrungsschatz zurückgreifen, um die Schulung durch spontane Vertiefungen des Themas, gezielt geleitete Diskussionen und Beantwortung kniffliger Fragen zu bereichern. Wenn diese Elemente bei jeder Wiederholung der Schulung gleich bleiben, können Sie die Inhalte ins E-Learning-Format bringen, indem Sie einfach transkribieren, was der Fachmann sagt.
Doch wenn die Anekdoten, Erfahrungsberichte und Erkenntnisse von Mal zu Mal wechseln, weil der Schulungsleiter spontan auf Fragen oder Anregungen reagiert, lässt sich diese Lernerfahrung deutlich schwieriger in einem E-Learning-Kurs einfangen. Denn es wäre unglaublich aufwendig, wenn nicht unmöglich, die Vielzahl an Beiträgen des Schulungsleiters zu sammeln und so im Kurs einzubauen, dass die jeweiligen Teilnehmer nur die für sie relevanten angezeigt bekommen.
Warnsignal 2: Das Vorwissen der Teilnehmer schwankt stark, sodass die Schulung immer an die konkrete Gruppe angepasst werden muss
Manche Schulungen richten sich an sehr unterschiedliche Zielgruppen. Mal sitzen dort ausschließlich Fachleute, die nur eine Auffrischung brauchen, mal ist es eine Gruppe unerfahrener Anfänger. Manche Gruppen brauchen vielleicht detailliertere Informationen zu den Aspekten des Kurses, die für ihren Arbeitsbereich am relevantesten sind. Und wieder andere Gruppen sind eine bunte Mischung aus allem oben Genannten. In solchen Schulungen müssen die Schulungsleiter die Inhalte und deren Präsentation oft spontan sehr stark anpassen, um niemanden zu langweilen oder zu überfordern.
Wenn sich diese Unterschiede dadurch abbilden lassen, dass für jede Lektion eine Anfänger- und eine Fortgeschrittenenversion eingebaut wird, lässt sich die Schulung gut in einen verzweigt aufgebauten E-Learning-Kurs verwandeln. Doch wenn die Schulungsleiter berichten, dass die Unterschiede so groß sind, dass sie im Prinzip jedes Mal eine ganz andere Schulung abhalten, ist E-Learning nicht der sinnvollste Weg.
Warnsignal 3: In jeder Schulung werden extrem unterschiedliche Fragen gestellt
Wenn Teilnehmer nach einer Schulung regelmäßig dieselben Fragen stellen, lassen sich diese in einem E-Learning-Kurs sehr leicht einbauen. Entweder man flicht die Antworten direkt in den Kurs ein oder hängt an den Kurs ein FAQ-Dokument an. Und wenn in Präsenz fast nie Fragen gestellt werden, wird niemandem die Frage-Antwort-Runde fehlen.
Was aber, wenn die Teilnehmer viele und jedes Mal unterschiedliche Fragen stellen? Dann ist das ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass sich die Lernerfahrung mit einem E-Learning-Kurs allein kaum nachbilden lässt.
Warnsignal 4: Der Kurs beinhaltet praktische Übungen oder Gruppenaufgaben, die nur schwer digital reproduziert werden können
Tatsächlich kann ein E-Learning-Kurs oft sinnvolle Alternativen zu praktischen Übungen oder Gruppenaufgaben bieten: z. B. durch interaktive Szenarien, Video-Tutorials oder Simulationen.
Es gibt aber auch Aktivitäten, die kein sinnvolles Pendant in der digitalen Welt haben. Wenn es zum Beispiel um Gesprächssituationen und Konfliktlösung untereinander geht, ist die Solo-Erfahrung eines E-Learning-Kurses nicht ausreichend. Auch körperliche Fertigkeiten wie Schwimmen lassen sich aus einem Video kaum lernen. Komplexe Simulationen, wie zum Beispiel Flug-Simulatoren, sind unter Umständen möglich, aber in vielen Fällen vom Zeitaufwand und den Kosten her ausgeschlossen. In all diesen Fällen ist E-Learning nicht die Lösung.
Warnsignal 5: Der Hauptnutzen der Schulung besteht darin, Kontakte zu knüpfen
In vielen Präsenzschulungen kommt es auf Interaktion zwischen den Teilnehmern nicht an. Oft käme das gleiche Lernergebnis heraus, wenn ein Teilnehmer alleine in der Schulung säße.
Auf der anderen Seite gibt es aber Kurse – z. B. Management-Seminare oder berufliche Weiterbildungen – in denen das Knüpfen von Kontakten zwischen Kollegen oder Gleichgesinnten essenziell ist. Diese Kontakte können die Basis legen für gemeinsames Problemlösen in der Zukunft, Zusammenarbeit in interdisziplinären Projekten oder sogar das Eröffnen von neuen Jobchancen. Und mit einem E-Learning-Kurs allein können Sie diese Ergebnisse nicht erzielen.
Fazit
Mit E-Learning lassen sich viele Präsenzschulungen in frische, ansprechende und ebenso effektive digitale Lernerfahrungen verwandeln. Doch es gibt immer wieder Fälle, in denen andere Formate besser zur Zielgruppe oder zur Erreichung der Lernziele passen. Deshalb ist es sinnvoll, die hier besprochenen Warnsignale im Hinterkopf zu haben und gleich beim Projektstart abzuklopfen, anstatt mitten im Projekt festzustellen, dass E-Learning hier nicht funktioniert.
Wenn Sie also keine dieser Warnsignale sehen, können Sie und Ihre Auftraggeber sicher sein, dass die digitale Umsetzung weitgehend reibungslos verlaufen wird. Aber auch wenn Sie einige der hier besprochenen Warnsignale an ihrem Projekt sehen, heißt das nicht, dass Sie E-Learning sofort komplett ausschließen sollten, sondern nur, dass vielleicht Blended Learning, also die Kombination verschiedener Lernformate, die bessere Wahl ist. Setzen Sie E-Learning für die Teile und Inhalte ein, in denen das Format glänzt, und ergänzen Sie die Lernerfahrung um andere Formate an den Stellen, in denen das Digitale sich nicht eignet.
Haben Sie nach diesem Artikel den Eindruck gewonnen, dass Blended Learning der richtige Ansatz für Ihr Projekt ist? Dann haben wir auch hier die passende weiterführende Lektüre für Sie:
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